Leitfaden und Schutzkonzept gegen (sexualisierte) Gewalt im Sportverein

(verabschiedet im März 2023 durch den geschäftsführenden Vorstand sowie die Abteilungsleitungen)

 

Der Lehndorfer TSV von 1893 e.V. ist ein Breitensportverein mit Tradition am Stadtrand von Braunschweig. Von den über 1000 Mitgliedern (Stand Februar 2023) sind etwa die Hälfte Kinder und Jugendliche. Den minderjährigen Mitgliedern gegenüber trägt der Verein eine besondere Verantwortung. So sollen unter anderem Freude an der Bewegung, die Entwicklung von individuellen und sozialen Fähigkeiten, das Gemeinschaftsgefühl sowie respektvolles Verhalten gefördert werden.

Darüber hinaus bedarf die Gruppe der Heranwachsenden des Schutzes gegenüber Beeinträchtigungen der körperlichen und seelischen Unversehrtheit. Dieser Verantwortung wollen wir soweit möglich gerecht werden.

Gewalt, speziell sexualisierte Gewalt, im Sport war lange ein Tabuthema. Erst in den letzten Jahren gingen Betroffene an die Öffentlichkeit. Sportverbände haben nun Leitlinien entwickelt und sich dem Schutz von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen verpflichtet.

Wir wollen darum alle, die mit Kindern und Jugendlichen in unserem Verein zu tun haben, über das Thema „Sexualisierte Gewalt im Sport“ informieren und sensibilisieren. Wir wollen Strukturen schaffen, die speziell sexualisierte Gewalt erschweren, bzw. verhindern.

Dazu haben der geschäftsführende Vorstand sowie die Abteilungsleitungen zusammen mit ehrenamtlich tätigen Mitgliedern ein Leitbild / Schutzkonzept erarbeitet. Begleitet wird das Konzept durch die Sportjugend Braunschweig, den Landessportbund sowie die Beratungsstelle „Sichtbar – Fachzentrum für sexualisierte Gewalt“ (Braunschweig).

 

Begriffsklärung

Sexualisierte Gewalt hat viele Formen: Von Blicken und Äußerungen über Berührungen, Fotografieren bis hin zu sexuellem Missbrauch. Gemeint sind damit sexuelle Handlungen, die an, vor oder mit einem Kind oder Jugendlichen vorgenommen werden. Diese Handlungen finden unter Ausnutzung von Vertrauen, Abhängigkeiten oder Unwissenheit statt – es wird bewusst Macht mittels Sexualität missbraucht.“

(aus der Broschüre der Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen, Mädchen, Jungen e.V.)

Es gibt keine allgemein gültige Regel, wann Grenzverletzungen oder Übergriffe als solche zu bezeichnen sind, zumal die Übergänge oft fließend sind. Maßstab sollte stets die Beurteilung des betroffenen Menschen sein.

 

Veröffentlichung und Verbreitung

Alle für den Lehndorfer TSV tätigen Personen müssen die Einhaltung des Schutzkonzeptes durch ihre Unterschrift bestätigen. Das aktuelle Konzept sowie der Text der Selbstverpflichtung werden auf der Homepage des LTSV veröffentlicht.

Alle Mitglieder werden über das Schutzkonzept informiert. Bestandteil der Information sind das Verfahren bei Verdachtsfällen sowie Kontaktdaten von Vertrauenspersonen und Beratungsstellen.

Kinder und Jugendliche erhalten sprachlich angemessene Informationen über das Schutzkonzept durch Übungsleiter:innen u.a. des Vereins (Nachweispflicht) sowie Informationsmaterial der Beratungsstelle.

Neue Mitglieder erhalten die Informationen zusammen mit dem Aufnahmeantrag und bestätigen dessen Erhalt auf dem Antrag.

Broschüren der Beratungsstelle und Kontaktdaten liegen in der Geschäftsstelle aus. Plakate in den Schaukästen am Vereinsheim und am Saarplatz weisen auf das Schutzkonzept hin.

 

Nachweise

Von allen Personen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, wird ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis verlangt. Die Kosten dafür übernimmt die Stadt Braunschweig. Das Führungszeugnis muss alle 5 Jahre erneut vorgelegt werden. In bestimmten Situationen kann dieser Zeitraum verkürzt werden (zum Beispiel in Abhängigkeit von Lizenzverlängerungen).

Anlage hierzu ist die unterschriebene Selbstverpflichtung, die für 10 Jahre in der Geschäftsstelle aufbewahrt wird.

 

Schulungen

Der geschäftsführende Vorstand organisiert in Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle sowie mit den Vertrauenspersonen Informationsveranstaltungen für Mitglieder und im Verein tätige Personen. Dies geschieht bei Bedarf mit Unterstützung des Beratungsteams der Sportjugend, bzw. des Landessportbundes und mit der Fachberatung.

Alle im Verein tätigen Personen werden über das Schutzkonzept informiert und geschult. Dies gilt besonders für Personen, die mit Kindern und Jugendlichen Kontakt haben.

 

Sprache und Kommunikation

Alle in die Vereinsarbeit involvierten Personen legen Wert auf eine respektvolle, wertschätzende Sprache. Sie beziehen aktiv Stellung bei sexistischen und rassistischen Äußerungen über das Aussehen, die Herkunft und die sexuelle Orientierung. Das betrifft auch persönliche Beleidigungen oder spöttische Bemerkungen z. B. über ein Verhalten oder motorische Bewegungen.

Verstöße sollten sofort angesprochen und ggf. den vom LTSV benannten Vertrauenspersonen gemeldet werden.

Die Regeln für Sprache und Kommunikation und mögliche Konsequenzen bei Nichteinhalten dieser Regeln werden bei Maßnahmen offen kommuniziert.

 

Umgang mit (sozialen) Medien

Spieler:innen, Turner:innen und Teilnehmer:innen sind dazu angehalten, die Nutzung von Smartphones im Training und in den Umkleidesituationen auf ein Minimum zu reduzieren. Insbesondere das Filmen und Fotografieren in Waschräumen ist nicht gestattet. Bildaufnahmen in den Umkleiden sind nur mit ausdrücklicher Erlaubnis der Trainer:innen und nach Rücksprache mit den Spieler:innen erlaubt (z.B. Sieger-Selfie).

Für die Öffentlichkeitsarbeit des LTSV können ausgewählte Foto- und Filmaufnahmen auf den Social Media Kanälen des Vereins (z. B. Facebook, Instagram und YouTube) sowie auf der Homepage genutzt werden, wenn die abgebildeten Personen dem zustimmen - die DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) ist hierbei zu beachten. Bei Minderjährigen ist immer die Zustimmung der Erziehungsberechtigten einzuholen.

Dies geschieht über die Anmeldung im Verein, über die Abteilungen / Jugendwarte oder vor öffentlichen Veranstaltungen (z.B. offene Trainingsangebote).

Bei der Kommunikation über Messenger-Dienste (z. B. WhatsApp) sind die rechtlichen Bestimmungen zu beachten. Bei (direktem) Kontakt von Trainer:innen mit Jugendlichen unter 16 Jahren muss die Zustimmung der Erziehungsberechtigen eingeholt werden. In Verdachtsfällen, sollten z.B. unangemessene Nachrichten oder Inhalte geteilt werden, sind zur Beweissicherung Screenshots zu erstellen, die Ansprechperson zu kontaktieren und die Inhalte auf keinen Fall an andere Personen weiterzuleiten.

Trainer:innen und Betreuer:innen dürfen ihr privates Smartphone für trainings- / lehrgangsspezifische Zwecke (u. a. Absprache über Trainingszeiten, Zu- und Absagen für Trainingsteilnahmen) und in Notfällen nutzen.

Trainer:innen und Betreuer:innen dürfen mit ihrem privaten Smartphone oder Tablet Foto- und Filmaufnahmen von Teilnehmer:innen erstellen (z. B. zur Videoanalyse) – die Erlaubnis wird mit dem oben genannten Anschreiben eingeholt. Aufnahmen mit privaten Geräten sind zeitnah zu löschen. Bei Ausnahmen (z. B. externe Festplatten, Archivierung auf privaten Datenträgern) muss die Einwilligung schriftlich eingeholt werden.

Auf Wunsch der abgebildeten Personen müssen erstellte Aufnahmen gelöscht werden. Das Einverständnis kann ebenfalls jederzeit widerrufen werden.

 

Persönliche Beziehungen

Intime Beziehungen zwischen Minderjährigen und Erwachsenen, die sich in Abhängigkeitsverhältnissen befinden, sind verboten.

Persönliche 1-1-Geschenke sind in beide Richtungen möglich.

Geschenke sind niemals mit einer Verpflichtung zur Geheimhaltung verbunden.

 

Nähe und Körperkontakt

Der Umgang mit Nähe und Distanz zwischen Erwachsenen und Kindern/Jugendlichen ist angemessen zu regeln. Direkter körperlicher Kontakt zwischen Übungsleitenden und Kindern/Jugendlichen ist grundsätzlich zu minimieren. Vor Körperkontakt (zum Beispiel bei Technikkorrekturen, Aufmunterung, Trösten) werden Kinder/Jugendliche nach Möglichkeit (kurz) darauf hingewiesen bzw. gefragt, und es wird auf eine Rückmeldung gewartet.

Sportartspezifische Hilfestellungen (zum Beispiel beim Turnen) werden regelmäßig kommuniziert.

Ein „Nein“ zu jeglichem körperlichen Kontakt sollte immer sanktionsfrei möglich sein.

 

Trainingspraxis

Die Erziehungsberechtigten der Kinder/Jugendlichen sind über Zeit und Ort von Einzeltraining zu informieren. Wenn möglich, finden Trainingseinheiten mindestens in 1:2-Situationen (6-Augen-Prinzip) oder in der Öffentlichkeit statt. Dies dient dem Schutz beider Seiten vor Übergriffen oder Beschuldigungen.

Aktivitäten, die über die Trainingsaktivitäten (z. B. Eisessen, Schwimmbadbesuch) hinausgehen, werden im Verein kommuniziert. Die Eltern der Kinder/Jugendlichen müssen hierzu ihr Einverständnis geben.

 

Transport und Räumlichkeiten

Um 1:1-Situationen zu vermeiden, ist generell bei Fahrten zu Turnieren oder anderen Verbandsmaßnahmen ein zentraler Treff- und Absetzpunkt zu vereinbaren. Wenigstens die letzten beiden Spieler:innen / Turner:innen sind dort zentral abzusetzen und nicht einzeln nach Hause zu fahren. Nach Absprache mit den Erziehungsberechtigten kann ein anderer Treff- oder Absetzpunkt vereinbart werden. In Ausnahmefällen ist eine 1:1-Situation beim Transport möglich, diese muss aber im Vorfeld mit den Erziehungsberechtigen abgestimmt werden.

Grundsätzlich werden Umkleiden geschlechtergetrennt genutzt und von den Trainer:innen getrennt oder, wenn nicht anders möglich, nicht gleichzeitig zum Umkleiden betreten. Es ist davon auszugehen, dass Kinder/Jugendliche sich selbstständig umziehen können und somit Eltern während des Umkleidens keinen Zutritt haben.

Trainer:innen betreten die Umkleiden nur nach vorheriger Ankündigung (Klopf- und Rufzeichen) und erfolgter Freigabe durch die Nutzenden. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn nach erfolgter Ankündigung keine Reaktion folgt und eine Gefahrensituation naheliegt.

Das gemeinschaftliche Duschen von Trainer:innen und Kindern/Jugendlichen ist verboten.

Trainer:innen besuchen Kinder/Jugendliche nicht in deren privatem Wohnbereich oder laden diese allein zu sich nach Hause ein. 1:1 Situationen sind grundsätzlich zu vermeiden.

Trainer:innen und Kinder/Jugendliche übernachten in getrennten Schlafbereichen. Minderjährige übernachten getrennt nach Geschlechtern.

Bei Übernachtungen Minderjähriger sollten immer mindestens zwei Betreuer:innen vor Ort sein. Bei gemischtgeschlechtlichen Gruppen ist ein Betreuungsschlüssel von mindestens einer weiblichen und einer männlichen Person anzustreben. Die Bettruhezeit (jeder auf seinem Zimmer) ist im Vorfeld klar zu kommunizieren. Diese wird durch die Betreuer:innen idealerweise zu zweit kontrolliert (ggfs. Klopf- und Rufzeichen). Bei Übernachtungen sind die Schlafbereiche räumlich deutlich zu trennen, so z. B. auch bei einer Übernachtung in einer Sporthalle. Eine schriftliche Information an die Eltern über die genaue Übernachtungs- und Betreuungssituation in Sonderfällen (z. B. Hallenübernachtung) ist in Verbindung mit deren Einverständniserklärung obligatorisch.

Das Gelände der Maßnahme darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Erziehungsberechtigten, in Gruppen (mind. drei Personen) und nach Absprache (wer, wann, wo, wie lange, an- und abmelden) mit den Betreuer:innen verlassen werden. Eine Handynummer für den Notfall ist anzugeben.

Gemeinschaftliche Orte für die Abendgestaltung werden klar kommuniziert. Unbeaufsichtigte Ansammlungen auf Zimmern sind zu vermeiden, um Gruppenzwang-Situationen auszuschließen.

 

Vertrauenspersonen

Der LTSV benennt mindestens zwei volljährige Personen, die über Verdachtsfälle informiert oder von Betroffenen angesprochen werden können. Die Vertrauenspersonen sollen möglichst aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen, bzw. Abteilungen stammen. Außerdem sollte das vom geschäftsführendem Vorstand benannte Team aus mindestens einer weiblichen und einer männlichen Person bestehen. Diese stehen allen als Ansprechpersonen zur Verfügung, sind fest in die Abläufe eingebunden, für die Aufgabe geeignet und im Thema geschult.

Die Ansprechpersonen werden mit ihren Kontaktdaten auf der Homepage genannt. Ebenso werden die Kontaktdaten den Mitgliedern über Aushang und digitale Kanäle (Newsletter) bekanntgegeben.

Es ist wünschenswert, wenn in jeder Abteilung erste Ansprechpartner:innen zur Verfügung stehen.

Alle Kontaktpersonen sind vertraulich per E-Mail oder telefonisch erreichbar.

 

Verfahrensablauf

In diesem Handlungsleitfaden wird die Reihenfolge der Kommunikation mit Vertrauenspersonen beschrieben, wenn ein Kind/Jugendlicher sich in einer Situation unwohl fühlt, jemand eine Regelverletzung oder ein grenzüberschreitendes Verhalten wahrnimmt. Das Ablaufverfahren regelt den Umgang mit Verdachtsfällen auf sexualisierte Gewalt und Grenzverletzungen und enthält Hinweise zum Umgang mit verdächtigen Personen.

Die Vertrauenspersonen sind angehalten, jeden Verdachtsfall untereinander zu kommunizieren. Der geschäftsführende Vorstand des Lehndorfer TSV ist bei jedem Verdachtsfall verpflichtend zu informieren.

Alternativ können sich Betroffene oder Angehörige auch direkt an Fachberatungsstellen oder an Beratungsadressen wenden.

 

Sichtbar – Fachzentrum für sexualisierte Gewalt

Münzstraße 16 , 38100 Braunschweig

info@sichtbar-bs.de

Telefon: 0531/ 233 66 66

Kinderschutzbund Braunschweig

Hinter der Magnikirche 6a, 38100 Braunschweig

Telefon: 0531 81009

Antje Wingert antje.wingert@dksb-bs.de

Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern

Telefon: 0531 / 80 19 216

Kinder- und Jugendtelefon Unter uns – Jugendliche beraten Jugendliche

Telefon: 116 111 (montags-samstags 14-20 Uhr) Telefon: 116 111

www.nummergegenkummer.de samstags: 14 – 20 Uhr

Elterntelefon

Telefon: 0800 111 0550

www.nummergegenkummer.de

Hilfetelefon sexueller Missbrauch

für betroffene Erwachsene

Telefon: 0800 2255 5530

Montag, Mittwoch und Freitag: 9 bis 14 Uhr

Dienstag und Donnerstag: 15 bis 20 Uhr

Clearingsstelle der Sportjugend Niedersachsen (Hotline)

Telefon: 0511 1268 274

Dienstag: 10 – 12 Uhr

Donnerstag: 13 – 15 Uhr

 

Wenn betroffene Personen sich zuerst an andere Kinder, Jugendliche oder Erwachsene wenden, sind diese aufgefordert, sich ihrerseits vertraulich und schnellstmöglich an eine der oben genannten Stellen zu wenden. Dies sollte unbedingt immer in Absprache mit den Betroffenen stattfinden.

 

Konsequenzen

Verstöße gegen das Schutzkonzept zur Prävention von sexualisierter Gewalt im LTSV werden durch die Vertrauenspersonen und den geschäftsführenden Vereinsvorstand verantwortungsbewusst aufgearbeitet, schriftlich dokumentiert und beurteilt. Sämtliche Verstöße werden individuell sanktioniert. Die einzuleitenden Maßnahmen sind der Satzung des Lehndorfer TSV zu entnehmen. Strafrechtlich relevante Vergehen werden zur Anzeige gebracht.

 

Verantwortlich:

Geschäftsführender Vorstand des Lehndorfer

 

Leitfaden und Schutzkonzept gegen (sexualisierte) Gewalt im Sportverein

Zum Download bitte den Link anklicken.